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1. Deutsche Geschichte bis zum Ausgang des Mittelalters - S. 121

1915 - Münster i. Westf. : Schöningh
— 121 — gleich auch sein Richter war. Die Erbteilung der Bauerngüter, die eine Verarmung des Landvolkes zur Folge hatte, die immer größer werdenden Lasten, die die herrschenden Klassen auf die Bauern abwälzten, und die Einführung des römischen Rechtes an Stelle der alten deutschen Rechtsbestimmungen waren für die Bauern verhängnisvoll; da nämlich die Römer Hörige nicht kannten, so wurden die abhängigen Bauern als Sklaven angesehen und zu Leibeigenen herabgedrückt. Auch die Allmende (Feld, Wald, Weide, Fischerei) nahmen die adligen Grundherren für sich allein in Anspruch. — Der Druck der Leibeigenschaft äußerte sich jedoch in verschiedener Weise. Im Westen war sie viel milder als im Osten, wa sie erst nach 1500 ihre här-teste Form annahm. In den Rheinlanden spielte sie nur eine unbedeutende Rolle. Was Wunder also, wenn sich die Bauern in bitterer Selbstverhöhnung den Hl. Bartholomäus, der nach der Überlieferung lebendigen Leibes geschunden wurde, zu ihrem Schutzheiligen wählten, wenn sie sich zu revolutionären Vereinigungen („Bundschuh" und „der arme Konrad") zusammentaten, um sich mit Gewalt eine menschenwürdigere Stellung zu erringen. Doch die meisten Ausstände wurden blutig niedergeschlagen, und das Los der Bauern war trauriger als zuvor. Der Bauer wurde als der Inbegriff aller Roheit, Dummheit und Unreinlichfeit verachtet und als „Tölpel"1) verspottet. Das Rechtswesen. Man unterschied H o f g e r i ch t e für Lehnssachen und als letzte Instanz für alle Rechtsstreitigeiten, Grafen-gerichte für den Adel, die höhere Geistlichkeit und die Städte, Nieder-, Bur- oder Dorfgerichte für die unteren Schichten der Bevölkerung. Die freien Reichsstädte hatten ihre eigene Gerichtsbarkeit. Das Gerichtsverfahren war durch den Einfluß des römischen Rechts in mancher Hinsicht anders geworden. Als Beweismittel kam die Folter in Anwendung. Die Strafen wurden hart und grausam. Die Missetäter wurden an dem Galgen aufgeknüpft ober gefoltert, andere durch das Schwert hingerichtet ober geräbert, gevierteilt ober verbrannt; Verstümmelungen durch Blenbung der Augen, Abhauen von einzelnen Gliebmahen kamen ebenfalls vor. Entehrenb war die Strafe des Hundetragens, des Ausstäupens, des Ausstellens am Pranger, das Brandmarken und Eselreiten. Andere Übeltäter wurden in Türme gesperrt, wo Arme und Beine in einen Stock eingeschraubt 1) Tölpel Dort törper, Dörper — Dörfler, Bauer.

2. Deutsche Geschichte bis zum Ausgange des Mittelalters - S. 123

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
123 mit Weib und Kind von Haus und Hof verjagt. Eine Berufung an eine weltliche Gerechtigkeit konnte keine nderung in seiner traurigen Lage herbeifhren, da sein Herr zugleich auch sein Richter war. Die Erbteilung der Bauerngter, die eine Verarmung des Landvolkes zur Folge hatte, die immer grer werdenden ffentlichen-Lasten, die die herrschenden Klassen auf die Bauern abwlzten, und die Ein-fhrung des rmischen Rechtes an Stelle der alten deutschen Rechtsbestimmungen war fr die Bauern verhngnisvoll; da nmlich die Rmer Hrige nicht kannten, so wurden die abhngigen Bauern als Sklaven angesehen und zu Leibeigenen herabgedrckt. Auch die Allmende (Feld, Wald. Weide, Fischerei) nahmen die adligen Grund-Herren fr sich allein in Anspruch. Der Druck der Leibeigenschaft uerte sich jedoch in verschiedener Weise. Im Westen war sie viel milder als im Osten, wo sie erst nach 1500 ihre hrteste Form annahm. In den Rheinlanden spielte sie nur eine unbedeutende Rolle. Was Wunder also, wenn sich die Bauern in bitterer Selbstver-hhnung den hl. Bartholomus, der nach der berlieferung lebendigen Leibes geschunden wurde, zu ihrem Schutzheiligen whlten, wenn sie sich zu revolutionren Vereinigungen (Bundschuh" und der arme Konrad") zusammentaten, um sich mit Gewalt eine menschenwrdigere Stellung zu erringen. Doch die meisten Aufstnde wurden blutig niedergeschlagen, und das Los der Bauern war trauriger als zuvor. Der Bauer wurde als der Inbegriff aller Roheit, Dummheit und Unredlichkeit verachtet und als Tlpel" ') verspottet. Das Rechtswesen. Man unterschied Hofgerichte fr Lehns-fachen und als letzte Instanz fr alle Rechtsstreitigkeiten, Grafen-gerichte fr den Abel, die hhere Geistlichkeit und die Städte. Nieder-, Bur- oder Dorfgerichte fr die unteren Schichten der Bevlkerung. Die freien Reichsstdte und Immunitten hatten ihre eigene Gerichtsbarkeit. Das Gerichtsverfahren war durch den Einflu des rmischen Rechts in mancher Hinsicht anders geworden. Als Beweismittel kam die Folter zur Anwendung. Die Strafen wurden hart und gransam. Die Missetter wurden an dem Galgen aufgeknpft oder gefoltert, andere durch das Schwert hingerichtet ober gerbert, gevierteilt oder verbrannt; Verstmmelungen durch Blendung der Augen. Abhauen von einzelnen Gliedmaen kamen ebenfalls vor. Entehrend war die Strafe des Hunde-tragens, des Ausstupens, des Ausstellens am Pranger, das Brand- ') Tlpel von trper, Drpe? - Drfler, Vaner.

3. Deutsche Geschichte bis zum Ausgange des Mittelalters - S. 41

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
41 Konrad 1. von Franken. (911918.) Nach dem Tode Ludwigs wurde der Herzog Konrad von Franken zum Kuig gewhlt. Deutschland war von dieser Zeit ab ein Wahlreich. Der neue König wollte die Einheit des Reiches, wie sie unter Karl dem Groen bestanden hatte, wiederherstellen. So kam es zu vielen Kmpfen im Innern des Reiches, die meist unglcklich sr Konrad endigten. berzeugt, da nur durch eine starke Hand Deutschland vor einer Zersplitterung in mehrere selbstndige Staaten bewahrt werden knnte, empfahl er auf seinem Todesbette seinen grten Gegner, den Herzog Heinrich von Sachsen, zu seinem Nachfolger und lie ihm durch seinen Bruder Eberhard die Abzeichen der kniglichen Wrde die heilige Lanze, die goldenen Armbnder, den Purpurmantel, das Schwert und die goldene Krone berbringen. Smsm6c$ ie Hl C Kant | ^aifcttoue des aiten Jeutjchen Kelches.

4. Deutsche Geschichte bis zum Ausgange des Mittelalters - S. 46

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
i 46 Bei der Kreuzprobe muten Klger und Angeklagter mit aus-gestreckten Armen an einem Kreuze stehen; wer die Arme zuerst sinken lie, galt als schuldig. Bei der Feuerprobe wurde dem Angeklagten aufgegeben, mit bloen Fen der glhendes Eisen oder glhende Kohlen zu gehen oder in einem Hemde, das mit Wachs bestrichen war, durch Flammen zu laufen. Schadete ihm das Feuer nicht, so galt er fr unschuldig. Beim Kesselfang hatte er einen Ring oder einen Stein mit bloen Armen aus siedendem Wasser zu holen. Das Bahr-recht oder die Blutprobe kam bei Mrdern zur Anwendung. Der vermutliche Mrder wurde an die Bahre des Erschlagenen gefhrt; be-gannen die Wunden von neuem zu bluten, so galt er sr bershrt. Das gewhnlichste und vornehmste unter den Gottesurteilen war der Zweikampf. Im fnften Jahrhundert fing man an, die mndlich ber-lieferten Gesetze niederzuschreiben und zwar mit Ausnahme der angelschsischen in lateinischer Sprache. So entstanden die Volksrechte, von denen das der salischen Franken, die Lex Salica, das lteste ist. Die verhngten Strafen waren verschiedener Art. Verbrechen gegen die Religion. Verschwrung gegen den König, Heeresflucht und Gefhrdung des ffentlichen Friedens wurden mit dem Tode bestraft. Die brigen Strafen bestanden in Landesverweisung und Rechtloserklrung (Acht), in Buen an Geld und Vieh, Gterentziehung, krperlicher Zch-tigung oder Verstmmelung. Alle Verbrechen konnten durch Zahlung von Wer gel d. geshnt werden, dessen Hhe sich nach der Schwere des Verbrechens und z. B. beim Totschlag nach dem Stande des Erschlagenen richtete. Kunst und Wissenschaft. In den ersten christlichen Zeiten wurde der Gottesdienst in den Wohnungen reicher Glaubensgenossen oder in Slen abgehalten; zur Zeit der Christenverfolgungen muten die Christen in den Katakomben ihre Andacht verrichten. Erst als das Christentum zur Staatsreligion erhoben war, fing man cmr Gotteshuser nach dem Vorbilde der alten rmischen Gerichts- und Kaufhalle, der Basiliken, zu erbauen, die ebenfalls zur Abhaltung des Gottesdienstes benutzt wurden. So entstand unter Beibehaltung der antiken Einrichtung und Form der altchristliche Basilikenstil. Eines der hervorragendsten Bauwerke dieses Stils ist die Kirche S. Apollinaris in Ravenna. Durch die Verordnung Karls des Groen an die Geistlichen, berall Unterricht zu erteilen, sollte auch dem gewhnlichen Manne die not-wendigste Schulbildung vermittelt werden.

5. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 122

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
122 ________ feit§ eine mit einem Mantel bekleidete weibliche Gestalt, Banner unb-Schlüssel haltend, die römische Kirche. Die Mitte der oberen Abteilung nahm der auf dem Throne sitzenbe, mit einem Purpurgewande bekleidete segnende Heiland ein, zwischen den neben ragenden Palmen stehenden Aposteln Petrus und Paulus, zu seinen Füßeu die Paradiesesströme, denen sich die Hirsche nahten. Ueber dem Heiland sah mau ein Kreuz, unter welchem eine segnende Hand aus Wolken ragte. Inschriften, lateinische wie griechische, zum Teil in Distichen, waren an verschiedenen Stellen des Musivs zu lesen. Au beiden Seiten des Querschiffs, welche durch je zwei Säulen und ebeusoniele Pfeiler abgetrennte Auslobungen bildeten, waren mehrere Altäre und Kapellen angebracht, so zur Linken die Kapelle des H. Mauritius, iu welcher die Salbung des zu krönenden Kaisers stattfand, und die Kapelle Hadrious I. mit dem Stuhl Petri. So war in seinen Hauptteilen das Innere der Basilika beschaffen, die seit den Tagen des Sieges des Christentums soviele Glorie und Feste, soviele Profanierungen und Plünderungen erlebt hatte, zuletzt im Jahre 1443 durch König Ladislaus' wüste Horden, worauf hundert^ vierzehn Jahre lang Frieden und Ruhe herrschten: bis zu seiner Verheerung, welche, der sarazenischen (846) vergleichbar, den schon im Umbau begriffenen Tempel durch das Heer eines römischen Kaisers traf.j) 43. pie Entwicklung des Lehnswesens. K. Biedermann, Deutsche Volks- n. Kulturgeschichte, 2. T., Wiesbaden, 1880.. 1. Mit der Verwandlung der republikanischen Verfassung der germanischen Urzeit in eine streng monarchische, wie sie im Frankenreich stattfand, ward auch die ganze Gesellschaftsordnung eine andere. Früher warnt alle freie Volksgenossen einanber gleich gewesen: auch soweit es eineu Abel uitb Fürsten ober Häuptlinge gegeben, hatte bereu höherer Rang boch nur ans der höheren Schätzung durch die Volksgenossen beruht ; an die Stelle dieser letzteren trat jetzt der König. Wen dieser auszeichnete, der, und der allein, erhob sich über die aut)ent. Der Dienst des Königs adelte, gleichviel ob es ein Dienst um die Person des Königs oder in dessen kriegerischem Gefolge war. Ja, schon derjenige hatte eilten höheren Rang, den nur der König seines näheren Umgangs würdigte. Aus die Verletzung ober gar Tötung eines „Getreuen" ober „Tischgenossen" des Königs, oder eines königlichen Beamten (Herzogs, Grasen, Vizegrafen), war eine höhere Buße („Wergeid") gesetzt, als aus die eines gewöhnlichen Freien. Das Wergelt) eines solchen Königs-moitnes, weitn er zugleich ein freier Franke, war das dreifache, wenn er eilt Römer oder ein Unfreier war, das anderthalbfache des Wergeides eines einfachen Freien (dort 600, beziehungsweise 300 Schillinge, hier 200). Der altgermanische Geburts- oder Geschlechtsadel trat vor diesem neuen Dienstadel zurück oder ging darin unter ober verschwand. Der *) Erstürmung Roms durch die Truppen Kaiser Karls V. unter dein Connetable von Bourbon, 1527.

6. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 228

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
— 228 — Schon Ludwig Xiv. hatte dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm den Rat gegeben, die Königskrone anzunehmen, doch hatte der Kurfürst den Plan des Königs wohl durchschaut, daß er dadurch mit dem Kaiser in Streit gebracht werden sollte, und er hatte deshalb klüglich darauf Verzicht beleistet. Peter der Große nannte Friedrich bei seinem Besuche 1698 in Königsberg stets „Majestät" und versprach, seine Königswürde sogleich, anzuerkennen, sobald sich nur der Kurfürst entschließen wollte, sich diesen Titel beizulegen; Friedrich beschloß jedoch, nur in Uebereinstimmung mit dem Kaiser einen solchen Schritt zu tun. Wann die ersten desfallsigen Verhandlungen angeknüpft worden sind, läßt sich nicht nachweisen, vermutlich schon 1693; dann geriet die Sache ins Stocken, da der Kaiser alle möglichen Schwierigkeiten dagegen erhob, und erst 1699 wurden die Unterhandlungen mit neuem Eifer aufgenommen. Sie führten zu einem glücklichen Ziele, wenn auch die Bedingungen, welche Friedrich eingehen mußte, ebenso lästig für ihn waren, als günstig für Oesterreich. Dies sicherte sich bedeutende Vorteile, während es scheinbar unwichtige Zugeständnisse machte: denn nur wenige ahnten, welcher Nebenbuhler einstmals dem Kaiser hierdurch erwachsen würde, nur wenige verstanden die Aeußerung des Prinzen Eugen, daß „die kaiserlichen Minister des Henkers wert seien, die dem Kaiser geraten, die preußische Krone anzuerkennen". Am 16. November 1700 kam nämlich der sogenannte Krontraktat mit dem Kaiser Leopold zustande; durch denselben gab der Kaiser nicht sowohl die Ermächtigung als vielmehr nur feine Zustimmung dazu, daß Friedrich sich fortan König in Preußen nenne. Friedrich seinerseits-versprach, in allen Kriegszeiten, namentlich in dem zu befürchtenden wegen der spanischen Erbschaft, auf eigene Kosten dem Kaiser 10000 Mann zu stellen, einen Teil der Garnison in Philippsburg zu unterhalten, auf die Hilfsgelder, die er noch vom Kaiser zu fordern hatte, Verzicht zu leisten,, feinen Verpflichtungen als deutscher Reichsfürst nachzukommen, die knr-brandenburgische Wahlstimme bei jeder Erledigung der kaiserlichen Würde einem österreichischen Prinzen zu geben u. s. w. Am 16. Dezember 1700 erließ Friedrich ein Manifest an sämtliche europäischen Möchte, daß er willens sei, sich den Königstitel beizulegen, und brach am 18. Dezember mit so zahlreichem Gefolge nach Königsberg auf, daß der Zug in vier Abteilungen geteilt werden mußte, um die Fortschaffung zu ermöglichen. Die Zurüstungen zur Krönung waren so eifrig vorbereitet, daß schon am Sonnabend, den 15. Januar 1701, prachtvoll gekleidete Herolde die Erhebung Preußens zu einem Königreich verkündeten. Art dem daraus folgenden Sonntage wurde in sämtlichen Landeskirchen der göttliche Segen zur Krönung erfleht, und am 17. der schwarze Adlerorden gestiftet, der an sechs fürstliche Personen und außerdem an zwölf verdienstvolle Männer verteilt wurde. Der Wahlfpruch auf diesem Ordenszeichen „Sunrn cuique“ sollte den Fürsten auffordern, dem Guten wie dem Böfen gerecht zu werden, die Ausschmückung mit Lorbeer und Blitz sollten die Belohnung und Strafe bezeichnen. Endlich Dienstag, den 18. Januar 1701, fetzte sich Friedrich in dem großen Audienzfaale mit eigner Hand die Krone aufs Haupt, frönte die Königin und empfing in der Kirche,.

7. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 229

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
— 229 — wohin sich der Festzug begeben hatte, nach der Festpredigt die Salbung durch zwei Geistliche, die Oberhofprediger, den reformierten Benjamin Urfinus v. Bär und den lutherischen Bernhard v. Sauden, welche beide zu größerer Feier zu Bischöfen ernannt und in den Adelsstand erhoben wurden. Die sich anschließenden Festlichkeiten übertrafen alles bisher Gesehene und kosteten Millionen, da der König die neue Krone auch mit dem äußeren Glanze umgeben wollte, durch den sie bei der großen Menge an Wert gewinnen mußte. Erst in den Tagen des März verließ Friedrich Königsberg, langte zwar in der Mitte des Monats in der Mark an, verschob jedoch seinen feierlichen Einzug in Berlin bis zum 6. Mai, da noch viele Borbereitungen zu treffen waren. Erst am 22. Juni wurden alle Kröuungsfeierlichkeiten mit einem allgemeinen Dank-, Buß- und Bettag beschlossen, der in allen königlichen Landen gefeiert wurde. 77. Soldatenleben in Preußen unter Friedrich Wilhelm I. G. Frey tag, a. a. O. Wer kurz vor 1740 unter der Regierung Friedrich Wilhelms I. preußisches Land betrat, dem fiel in der ersten Stunde das eigentümliche Wesen aus. Bei der Feldarbeit, in den Straßen der Städte sah er immer wieder schlanke Leute von soldatischem Aussehen, mit einer ausfallenden roten Halsbinde. Es waren Kantonisten, die schon als Kinder in die Soldatenregister eingetragen waren, zur Fahne geschworen hatten und eingezogen werden konnten, wenn der Staat des Königs ihrer bedurfte. Jedes Regiment hatte 5—800 dieser Ersatzleute, und man nahm au, daß damit die Armee um 30000 Mann vermehrt werden konnte, denn alles lag für sie in den Montierungskammern bereit, Tuch und Gewehre. Und wer zuerst ein Regiment preußischen Fußvolkes sah, dem wuchs das Erstaunen; die Leute hatten eine Große, wie sie an Soldaten nirgend in der Welt zu sehen war, sie schienen von einem fremden Stamme. Wenn das Regiment vier Glieder hoch in Linie stand, — die Stellung in drei Gliedern wurde gerade damals erst eingeführt, — dann waren die kleinsten Leute des ersten Gliedes nur wenige Zoll unter sechs Fuß, fast eben so hoch das vierte, die mittleren wenig kleiner. Man nahm an, daß, wenn die ganze Armee in vier Reihen gestellt würde, die Köpfe vier schnnrgrade Linien machen müßten; auch das Gewehr war etwas länger als anderswo. Und nicht weniger auffallend war das propere Aussehen der Mannschaft; wie Herren standen sie da, mit reiner, guter Leibwäsche, den Kopf sauber gepudert mit einem Zopfe, alle in blauem Rock, zu den hellen Kniehosen Stiefeletten von ungebleichter Leinwand, die Regimenter durch Farben der Westen, Aufschläge, Litzen und Schnüre unterschieden. Trug ein Regiment Bärte, tote z. B. das des alten Dessauers zu Halle, so war der Bart sauber gewichst, jedem Mann wurde alljährlich vor der Revue eine neue Montur bis aus Hemd und Strümpfe geliefert; auch in das Feld nahm er zwei Anzüge mit. Noch stattlicher sahen die Offiziere ans, mit gestickter Weste, um den Leib die Schärpe, den Degen, „das Feldzeichen", alles

8. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 178

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
Delinquent herauskomme, der soll in dessen Fußstapfen treten. Darauf führt er den Gefangenen dnrch die Gasse dreimal auf und ab, daß er sich von seinen Kameraden beurlaube und sie um Verzeihung bitte, wie er selbst auch allen Menschen verzeihe. So sprechen ihm auch die Fähnriche zu, er solle tapfer und unverzagt sein, sie wollen ihm auf halbem Wege entgegenlaufen und ihn erledigen, d. H. ihn als abgetan, tot erklären. Denn in dem Augenblicke, als der Delinquent zu Bodeu fiel und die Fähnriche seinen Körper mit dem Fahnentuch deckten, war die Erekntion zu Ende. — Nunmehr wird nochmals umgeschlagen und ausrufen, daß keiner „alten Neid oder Schaden rächen solle", dann werden die Spieße gesenkt. Der Profos schließt den armen Mann aus dem Eisen, „nimmt Urlaub von ihm, daß er ihm verzeihen solle, und was er getan hat, das habe er müssen tun von wegen des Regiments", stellt ihn frei vor die Gasse, gibt ihm drei Streiche ans die Achsel im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und läßt ihn laufen. Das Schicksal des Delinquenten lag nun in der Hand der Knechte, die ihre Spieße gegen den Mattn zückten, der die Gasse durchlief. Die Spieße waren gesenkt, ihre Spitzelt standen sich so nahe gegenüber, daß sie den armen Mann berühren mußten; wie tief sie ihn trafen, hing von den einzelnen ab. in deren Fanst sie ruhten. Jeder Stoß. auch der leichteste, mußte treffen, während das festgehaltene Eisen nur die Haut zerfleischte. Freilich konnte auch die große Zahl solcher Wunden den Tod bringen — aber es mußte nicht immer sein, besonders wenn die Fähnriche rasch warnt und den ihnen entgegen Lausenden bald erreichten. 61. Frauenbildung im Mittelalter. A. Richter, Deutsche Kulturgeschichte, 2. Bd., 2. Aust. Leipzig 1893 (gekürzt). Schon in den frühesten Zeiten des Mittelalters, mehr aber noch in dessen späteren Perioden gab es eine verhältnismäßig beträchtliche Anzahl wohlunterrichteter Frauen. Vor allem mußten sich Juugfraueit, welche die Ordettsgelübde abzulegen beabsichtigten, zuvor ein gewisses Maß von Kenntnissen aneignen, um dem Chorgebet, dem Kirchengesang, der Betrachtung und geistlichen Lesung, die in allen Klosterregeln vorgeschrieben waren, obliegen zu können. Sie mußten wenigstens lesen können. In dem Statutenbuch des Franenklosters Niederprüm (gestiftet 1190) wird verordnet: „Die Schwestern sollen sich aus der Bibliothek Bücher zttm Lesen geben lassen, jedesmal nur eius, nicht mehr; dieses sollen sie aber ganz der Ordnung nach, nicht hier und dort ein wenig, studieren. Einzelne Stellen, die besonders zur Belehrung und Erbauuug geeignet sind, dürfen sie sich herausschreiben." Den Klosterobern oblag es, über die Befolgung solcher Bestimmungen zu wachen. Der ersten Äbtissin von Gandersheim, Hathumoda, wird nachgerühmt, sie habe nicht bloß selbst fleißig gelesen, sondern auch eilte Vorliebe für ihre Mitfchweftern gehegt, welche gleiches getan; Nachlässige habe sie, wo fern sie Talent an ihnen wahrgenommen, weniger durch Freundlichkeit als durch Strenge dazu genötigt. Von vielen Aebtissinnen wird gerühmt,

9. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 125

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
machung der Königskrone in seinem Hanse die Erblichkeit ihrer Lehen anbot, ward ihm von den Fürsten erwidert: „was er ihnen geben wolle, besäßen sie längst-" „ .... ,r , , . Sobald die großen Lehen nicht mehr bet ihrer Erledigung vom Könige aus vergeben wurden, sondern ohne sein Zutun aus den Sohn des nähern Inhabers vererbten, verloren sie den Charakter von Aemtern und nahmen den eines wohlerworbenen Eigentums der betreffenden Familie au. Aus Statthaltern des Königs wurden Landesherren. Als-solche wurden dann sämtliche ©reiße (auch die der Natur ihres Amtes nach uicht zur Erblichkeit gelangenden Bischöfe) förmlich anerkannt m den Friderieianischen Erlassen von 1220 und 1232, von denen der erste die geistlichen, der zweite die weltlichen Fürsten ausdrücklich als „Laudesherren" bezeichnete. Damit war der Schwerpunkt des Reiches schon zu einem guten Teil aus dem Zentrum in die Peripherie, aus der Reichs-gewalt in die Einzelgewalten verlegt. — . n. L . 3. Durch die Belehnung, deren Gegenstand entweder ent Amt und ein damit verbundener Grundbesitz oder auch nur dieser letzte e war, trat der so Gelehnte in ein unmittelbares, persönliches Verhältnis zu dem ihn Belehnenden, seinem Lehnsherrn, mochte dies nun der oberste Lehnsherr, der König, oder ein Lehnsmann des Königs sein. Die symbolische Form der Belehnung war der Lehenseid und die Handreichung. Der Lehnsmann gelobte seinem Lehnsherrn unwandelbare Treue, versprach, „demselben allzeit hold und gewärtig zu sein", gab sich in dessen Dienst mit seiner Person und seinem Gut. Ein Verletzung dieser Treue (Felonie) zog deu Verlust des Lehens nach sich. Als Zeichen der Be- lehnung ward dem zu Belehnenden irgend ein Symbol überreicht, welches dieser in der Regel (bei königlichen Lehen immer) knieend empfing. Die obersten Lehnsträger des Königs, die Fürsten, welche hohe Kommandos führten, empfingen als Abzeichen eine Fahne, und ihr Amt hieß daher Fahnenlehen; die geistlichen Würdenträger wurden früher mit Ring und Stab, als deu Zeichen ihrer geistlichen Würde, später, seit dem Wormser Konkordat (1122), mit Zepter und Schwert (wegen der weltlichen Herrschaft über ihr Amtsgebiet) belehnt. Durch die Belehnung trat der Belehnte in jene bevorzugte Gesellschaftsklasse ein, welche, vom König als ihrer Spitze anhebend, sich einer Pyramide gleich nach unten verbreiterte, der Lehnsaristokratie. Erst unterhalb dieser Lehnsaristokratie stehen die einfachen Freien, die ein freies (nicht lehnbares) Eigentum haben, viel tiefer die Halb- und Unfreien. Die ganze Nation zerfällt in eine herrschende und eine dienende Klasse, zwischen welchen beiden gleichsam in der Mitte btp einfachen Freien stehen. Da das ganze Staatswesen des Mittelalters wesentlich aus kriegerischer Tätigkeit beruhte, so teilte man auch die verschiedenen Gesellschaftsklassen vorzugsweise nach dem Range ab, den jede derselben innerhalb dieses Militärorgauismus einnahm, nach sog. „Heerschilden". Die obersten Heerschilde gehören ausschließlich der hohen Lehnsaristokratie; in die untern teilen sich die niederen Klassen dieser mit den kleineren freien

10. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 89

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
- 89 — lichen Leitung ihres Besitzers ausgebildet: zu kaufmännischem Zwecke oder als Vorleser, Schreiber, Münzverständige, Wirtschafter, Auswärter, Schauspieler u. s. w. Der profitable Vertrieb dieser Sklaven bildete neben dem Befitz an städtischen Häusern, von Bergwerkeu und Gütern mit dem Personal zu ihrer Bebauuug das Vermögen dieses reichsten Mannes seiner Zeit. — Der Kauf und Verkauf der Sklaven, wie auch der Preis derselben, regelte sich aus den großen Märkten des Ostens, von denen jener zu Delos in der letzten Zeit der Republik ausschlaggebend war; Seeraub und Sklavenhandel blühten damals in den östlichen Gewässern in einer weder früher noch später erhörten Weise. — Die Piraten bildeten bekanntlich eine Zeitlang einen förmlichen Staat, der Rom und die italischen Küsten bedrohte, Bündnisse abschloß und die See durch seine Schiffe beherrschte. Das waren die goldenen Zeiten der Sklavenhändler, besonders da auch die asiatischen Kriege riesige Menschenmengen ans den Markt warfen. Der Preis differierte nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Als Lucullus über die Könige Mithridates von Pontus und Tigranes von Armenien siegte, ging der Preis gewaltig herunter; man bekam einen Sklaven um 4 Drachmen, während gleichzeitig ein Ochs eine Drachme kostete. Es begann die Zeit, wo die Herren vor ihren eigenen Sklaven sich zu fürchten begannen. Denn was daraus entstehen konnte, wenn die Sklaven einmal losbrachen, hatte der Sklaven- und Fechterkrieg unter Spartacus hinlänglich gezeigt. Diese großartige Meuterei, in der die römischen Milizen vor den verzweifelt sich schlagenden Sklaven mehrfach davon gelaufen waren, wurde durch Crassus bemeiftert: er ließ 6000 gefangene Sklaven längs der Appischen Straße des Beispiels halber ans Kreuz schlagen. Der Tod ant Kreuz war der Tod der Sklaven. Seitdem wurden die Sklaven immer strenger gehalten. Jede Un-botmäßigkeit wurde zum mindesten durch Peitschenhiebe gebüßt: die Knute war aus geknoteten Stricken oder ans Draht geflochten, oder sie bestand aus einem kurzen Stiel, an dem einige kurze Ketten mit Metallknöpf-cheu am Ende befestigt sind. Als Strase galt auch die Versetzung ans dem städtischen Dienst in den ländlichen: ferner die Arbeit in der Mühle und in den Steinbrüchen, die als strengere Strafen verhängt wurden. Floh der Sklave, so wurde er nach der Einbringung an Händen oder Füßen oder an der Stirn mit glühendem Stempel gebrandmarkt und in einen Halsring geschmiedet, der wie ein Hundehalsband mit einer Inschrift versehen war, die den Namen des Sklaven und den des Herrn angab, an welchen er eventuell abzuliefern wäre. Unverbesserliche Sklaven überlieferte man der Arena. Wenn ein Besitzer umgebracht wurde und der Schuldige nicht auskam, oder wenn gesunden wurde, der Ermordete sei nicht genügend bewacht worden, so mußten nach dem Herkommen sämtliche Sklaven des betroffenen Haushaltes an das Kreuz. Dies geschah noch unter der Regierung des Nero, als der damalige Stadtpräsekt Pedanins Sekundus von einem seiner Sklaven, den er persönlich gereizt hatte, umgebracht worden war. An der 400 Köpfe starken „Familie"
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